Ein paar Kurven weiter

und ein wenig horizontalem Regen, gefolgt von Sonnenschein bin ich in Tolhuin. 


Nothing to write home about, aber es gibt einen La Anónima, quasi Aldi in Groß. Komischer Name für eine Supermarktkette. Aber ich bin ausgerüstet für den Schlusspurt. Sogar eine Gaskartusche hatten sie. Meine zickt herum, irgendwer schenkte mir eine weitere. Ich weiß aber nicht, wie voll die ist. Also lieber mal Reserve bunkern. Ein Tag ohne einen Liter Tee in der Früh wäre kein Vergnügen. Und ohne Spaghetti am Abend nicht lebenswert. 

Verfahren

Beim Weg raus aus Rio Grande habe ich mich auf google maps verlassen. Das war ein Fehler, der Weg sei unpassierbar, wie mir mehrere Locals mitteilten. Also wieder zurück in die Stadt, durch endlose Industriegebiete. Gegen den Wind. Die einzige Hoffnung war eine Tankstelle, die man schon seit weitem sah. Kaffee, Fruchtsaft, vielleicht beides. Leider war es noch eine Baustelle. 
Danach wurde es welliger, langsam tauchten Bäume auf. Eine willkommene Abwechslung.

Immer wieder mal Graupelschauer, eine halbe Stunde später wieder Sonnenschein. Ich habe ja genug Zeit, also habe mein Haus recht früh aufgestellt an einem Bach. Und erst mal geschlafen. War wohl anstrengend. 

Ich spüre das nicht mehr, der Körper wird regelmäßig mit Wasser und Futter versorgt, immer bevor ich Hunger oder Durst verspüre. Es hat lange gedauert, den Rhythmus zu finden, jetzt klappt es ganz gut. 

Die ersten 15 km gegen den Wind haben fast drei Stunden gebraucht, dann war es recht einfach. 

Die zwei von http://www.wetzlospanamericana.de fuhren kurz vor mir los, ich habe ein paar Tipps bekommen. 

Unterwegs noch ein Pärchen aus Kanada getroffen. 

Mag sein

Aber die Alternative ist halt einsame Bedeutungslosigkeit. Das mit dem Goldschürfen hat nicht geklappt, Schafzucht ist seit dem Aufkommen der synthetischen Fasern auch nicht mehr der Bringer, Öl gibt es zu wenig, für nennenswerten Fischfang ist das Wasser zu kalt.

Um die vorletzte Jahrhundertwende liefen die wenigen Menschen hier noch in Tierfellen(1) herum, El Calafate, heute eine Tourihochburg, war noch in den 50ern eine staubige Ansammlung von 4 Bauernhöfen. 

Mag ja sein, dass das den ursprünglichen Charakter ausmacht und ein wenig dem rustikalen Zauber entspricht, den wohl jeder hier sucht, aber die 75″ Fernseher gab es halt auch nicht. Die Verklärung der Vergangenheit bringt einen da nicht weiter. Die Idee, den Tourismus mit prohibitive Preisen einzudämmen, ist charmant, löst aber das Problem der sich verlierenden kulturellen Identität nicht.
Wobei die ja eine noch kürzere Laufzeit als die der USA hat. Die meisten Einwanderer kamen um 1910 herum, hier Kroaten und Chiloer. Und haben durch die Landbesitznahme die indigen Mapuche vertrieben.

1) ein deutscher Missionar hat um 1900 die ikonografischen Bilder gemacht, von Menschen mit diesen großen weißen Punkten und Strichen, die hier überall herumhängen. Mehr als 2000 Aufnahmen (!). Keine Ahnung, wie der die Filmplatten hier herunter bekommen hat. In Santiago durfte ich einen Teil in einer Ausstellung sehen.

Polaroids from the stone age.

Ohne Stollen

wäre es kein Weihnachten. Der hier ist lecker, mit Nüssen und Kastanien. 

Die nette Verkäuferin ließ mich ein Stück probieren. Als ich meinte, das sei aber schon hoch an Kalorien, sagte sie, ich könne das vertragen; dann erzählte ich ihr, dass ich nur 5 kg verloren hätte auf dem Weg bisher. Die Apotheke hatte eine Waage.

Beaufort, Du alte Nase

War schlau, sich ein festes Dach zu suchen. Das Zelt hätte das vermutlich nicht überlebt.

10 bft bedeutet in etwa:  Man kann bei dem Wind mit knapp 100 km/h den mittleren Ring vom englischen Garten zum Olympiastadion (dürfte in etwa WSW sein) entlangfahren, das Schiebedach aufmachen, den Oberkörper rausstrecken, sich eine drehen und anzünden.

La Fueguina

Ist das erste Café, das mir über den Weg lief. Während ich auf den zweiten doppelten Espresso und ein weiteres Süßteilchen warte, bekommen die Geräte lecker Strom.

Nicht im Bild ist das Telefon. Das Wifipasswort ist mascafe123. Mehr Kaffee. Passt irgendwie.

Ich war ja lange am überlegen, ob ich das schwere Vierfachnetzteil mitnehmen soll, aber die Entscheidung war schon gut. 

Scandal

Ein Exmoderator von Top Gear, einer populären englischen Auto-TV-Show, hat auf Twitter allen frohe Weihnachten gewünscht. Außer den Feuerländern, die können zum Teufel gehen.

Los fueginos are not amused.

Ich bin gerade auf der Avenida de Heroes de Malvinas nach Rio Grande hereingerollt, das war vermutlich ein wichtiger Stützpunkt damals.

Im Nichts

laufen Jay und Chris aus den USA mit ihrem Zeug im Kinderwagen nach Norden. Die nächsten 500 km sind auf dem Radl schon grenzwertig, selbst wenn man sich durch das Œvre von Mickey Spillane durchhört, aber zu Fuß führt diese sensorische Deprivation zur Hirnschmelze.

80 km, 4:30 h, 450 hm. Meist ripio bis auf 15 km neuer Straße. Satter 4er Rückenwind.

Oh mei (It won’t)

Nach 2300 km, 24000 hm und 160 h im Sattel hatte ich eine kleine Zusammenfassung geschrieben. Leider aus Versehen gelöscht. WordPress auf dem Telefon ist nichts für die Grobmotoriker mit den tauben Fingern. 

Ich schreibe einfach nochmal. Im Fernseher ist eh nix interessantes. Jajaja, was in Textnachrichten einem Smiley gleich zu setzen ist.

Was stört eigentlich beim Radln? 

Nun, hier ist es der Wind. Wenn er von vorne kommt, dann macht man so um die 5 km/h. Bei Rückenwind muss man alle Viertelstunde eine Pause einlegen, sonst verbiegen sich die Bremsscheiben. Zu schnell will man nicht werden, sonst bricht irgendwas bei dem Geholper. Und man bekommt Kopfschmerzen. Und runner’s nipples.

Seitenwind ist saugefährlich, vorbeiziehende LKWs erzeugen einen Windschatten und Sog. Je nach Richtung ist man da entweder im Graben oder auf der anderen Straßenseite. Beides nicht so gut. Daher auch die eher kurze Zeit oben, ich bremse und bleibe stehen, wenn ich einen lauten Motor höre. Ich habe diese Pedale, die nur auf einer Seite Clickis haben. Praktisch. 

Das Kartenmaterial ist extrem ungenau, die Flüße,  die es geben soll, sind aus ästhetischen Gründen hinzugefügt worden. Und manche Ortschaft existiert gar nicht mehr. Heute zum Beispiel hätte es einen Puerto Nuevo geben sollen, aber alles, was da war, war ein Hinweisschild, das besagte, dass hier mal in den 1910ern Goldsucher lebten. Also kein Kaffee, keine Empanadas, kein Wasser

Sprachlich klappt es ganz gut, die Chés, also die Argentinier, verstehe ich besser als die Chilenen. Die reden zu schnell und verschlucken Binnenkonsonanten.

Dann lieber das argentinische Spanisch, da ist nur das Doppel-L ein Sch-Laut. Die beliebte Ferieninsel im Mittelmeer ist „Maschorka“

Die Leute sind superfreundlich, bei meiner Schon-10-km-geschafft-Pause bleiben sie oft mal stehen und fragen, ob alles gut sei.

Ungefähr soweit kam ich in der ursprünglichen Fassung, dann kam eine Japanerin und fragte, ob sie hier auch schlafen könne. Die sind so superhöflich. Ich hab dem unterkühlten Mädel erst mal einen Tee gekocht und sie mit Schokolade gefüttert. Ist ja schließlich Weihnachten.

Hut ab vor der Japanerin. Mit einem Baumarktkinderradl hätte ich mich das nicht getraut.
Der Kollege hat ähnliche Gedanken  http://www.roughchop.net/que-mierda-the-other-side-of-cycle-touring/

Casablanca

Ein deutschgebürtiger Australier hatte mir gestern von der Hütte erzählt. Der Typ war interessant, um die 60, die Kids sind längst aus dem Haus und er radelt gerade von Brasilien runter und jetzt auf der Pazifikseite wieder hoch. Dann noch ein Pärchen aus Holland getroffen, die wollen hoch nach Alaska. Und bei den Pinguinen eine Familie aus Alaska, die mit ein paar Busetappen die gleiche Strecke gefahren sind wie ich. Die Kinder sind 3 und 4.

Ganz nett hier, in der Nacht fing der Regen an und hat noch nicht wieder aufgehört. In der Früh stand ein wenig Wasser im Zelt. Das passiert heute nicht.

60 km, 4h, 9 Grad, meine drei Freunde ripio, Gegenwind und Regen reichlich.

Peter, den ich in den Torres getroffen hatte, hat sich gemeldet. Er schreibt unter https://bike-it-yourself.com

Bushäuschen

In den Bushäuschen verewigen sich die Radler. Manchmal erfährt man interessante Dinge wie „nächster Fluß erst in 60 km, aber die Estancia in 20 km gibt gerne was ab“ oder „Ab 22:00 kommt man umsonst in den Nationalpark“ oder „Lass dein Zelt nicht unbeabsichtigt, die Füchse zerstören es auf der Suche nach Nahrung“.

Weiter oben habe ich die gerne für eine Siesta in der Mittagshitze genutzt, hier eher als Schutz gegen den Wind. Mal in Ruhe einen Keks essen, einen Schluck Tee trinken.

Lesson learned: Die Isoflasche im Radlflaschenformat ist total, wie der Chilene sagt. Gut für das Gemüt, so ein Heißgetränk. 

Wenn die jetzt noch Earl Grey hätten…